Rubrik: Information

Ein Jahr ohne Atomstrom in Deutschland: Eine Analyse in drei Teilen

16.04.24

Teil 1 – Na klar! – Die AfD warnt vor der Abschaltung von Atomkraftwerken (2018) – eine Analyse, insb. der populistischen Elemente

„Kernenergie – Na klar!“ – sagt die AfD Sachsen auf einer eigens gestalteten Seite Pro-Atomkraft. Bereits 2018 war die AfD gegen den Atomausstieg, wie ein Youtube-Video zteigt (bitte Quelle selbst suchen, sie wird nicht verlinkt).
Die AfD macht Stimmung! Was ist ihr Bestreben?

Die AfD kritisiert 2018 die Entscheidung der damaligen schwarz-gelben Regierung zum Atomausstieg als überstürzt und sieht die daraus resultierenden Entschädigungszahlungen an Energiekonzerne wie RWE und Vattenfall als eine Belastung für die Steuerzahler. Die Partei argumentiert, dass die deutschen Steuerzahler nun für die politischen Entscheidungen bezahlen müssten, die aufgrund der Reaktion auf die Fukushima-Katastrophe getroffen wurden. Dabei wird auf die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke verwiesen, die 2010 beschlossen wurde und die nun nicht umgesetzt werden kann, wodurch den Kraftwerksbetreibern Gewinne entgehen. Diese Entscheidungen führen nach Ansicht der AfD zu unnötigen Kosten im Milliardenbereich, die letztlich von der Allgemeinheit getragen werden müssen.

Populismus-Analyse: Atomausstiegsprotest der AfD: 
mehrere klassische populistische Elemente

Die AfD nutzt in ihrer Argumentation im Video gegen den Atomausstieg mehrere klassische populistische Elemente, um ihre Botschaft zu verstärken und bestimmte Wählersegmente anzusprechen:

Feindbild Konstruktion: Die AfD stellt die frühere schwarz-gelbe Regierung als verantwortungslos dar und schafft somit ein klares Feindbild. Dies verstärkt die Wahrnehmung von „uns“ (die Bürger und Steuerzahler, die angeblich vernünftig sind und unter den Fehlentscheidungen leiden) gegen „sie“ (die politischen Eliten, die Fehler gemacht haben).

Opferrolle der Bevölkerung: Durch die Betonung, dass die „Steuerzahler mal wieder ausbaden“ müssen, was die Regierung „eingebrockt“ habe, spricht die AfD direkt das Gefühl vieler Bürger an, die finanziellen Lasten von politischen Fehlentscheidungen tragen zu müssen. Dieses Narrativ von der ungerechten Last kann bei Personen, die sich bereits steuerlich oder finanziell benachteiligt fühlen, Resonanz finden.

Vereinfachung und Dramatisierung: Die Argumentation suggeriert eine direkte und unmittelbare Kausalität zwischen dem Atomausstieg und hohen Kosten für die Allgemeinheit, ohne die komplexen Zusammenhänge der Energiepolitik und langfristigen wirtschaftlichen und ökologischen Überlegungen zu berücksichtigen. Durch die Dramatisierung der finanziellen Folgen („einen niedrigen einstelligen Milliardenbereich“) wird versucht, Emotionalität und Dringlichkeit zu erzeugen.

Rückwärtsgewandte Politik: Die Erwähnung der Laufzeitverlängerung, die 2010 beschlossen wurde, nutzt die Nostalgie für vergangene Entscheidungen als vermeintlich bessere Lösung im Gegensatz zu den aktuellen politischen Entwicklungen. Dies spricht Wähler an, die Veränderungen skeptisch gegenüberstehen und sich nach einer Rückkehr zu einer als stabiler wahrgenommenen Vergangenheit sehnen.

Durch diese Elemente spricht die AfD gezielt Wähler an, die unzufrieden mit der aktuellen politischen Situation sind, sich von den etablierten Parteien nicht vertreten fühlen und für die eine einfache, klar gegliederte politische Kommunikation attraktiv ist. Diese Art der populistischen Rhetorik zielt darauf ab, Unzufriedenheit zu mobilisieren und politisches Kapital aus der Angst und Frustration der Bevölkerung zu schlagen.

Teil 2 – Inhaltliche Fortsetzung: Ein Jahr ohne (deutschen) Atomstrom – eine Bilanz

Seit der Abschaltung der letzten drei Kernkraftwerke in Deutschland im April 2023 haben sich viele der befürchteten negativen Folgen nicht bewahrheitet. Entgegen den Warnungen vor Blackouts und exorbitanten Strompreisen zeigt sich ein Jahr später ein überraschend positives Bild der Energieversorgung in Deutschland.

Die Befürchtungen und die Realität

Im Vorfeld der endgültigen Abschaltung der Atomkraftwerke – Neckarwestheim 2, Isar 2 und Emsland – gab es erhebliche Bedenken hinsichtlich der Energiesicherheit und Preisstabilität. Kritiker warnten vor einer Gefährdung der Energieversorgung und vor steigenden Strompreisen. Diese Sorgen erwiesen sich jedoch als weitgehend unbegründet.

Preisentwicklung und Energieversorgung

Trotz der Abschaltung der Kernkraftwerke sind die Strompreise signifikant gefallen. Laut Daten des Vergleichsportals Verivox sank der Preis für eine Kilowattstunde von 33,83 Cent im April 2023 auf 26,05 Cent ein Jahr später. Auch die Großhandelspreise für Strom haben sich fast halbiert, von 99,01 Euro pro Megawattstunde im April 2023 auf 55,01 Euro im April 2024.

Ersatz durch erneuerbare Energien

Die Stromerzeugung aus Kernkraft wurde erfolgreich durch erneuerbare Energien ersetzt. Laut Bruno Burger vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme wurde der Wegfall der Kernenergie durch eine gestiegene Erzeugung aus erneuerbaren Quellen sowie durch Einsparungen und Importe ausgeglichen. Im ersten Jahr ohne Kernenergie stieg die Produktion erneuerbarer Energie auf etwa 270 Terawattstunden, was einem Anteil von 58,8 Prozent am Strommix entspricht.

Rückgang der fossilen Stromerzeugung

Parallel dazu ist die Stromgewinnung aus fossilen Brennstoffen zurückgegangen. Dieser Rückgang wurde durch hohe Kosten für Erdgas, Kohle und CO2-Zertifikate beschleunigt. Die Gesamtstromnachfrage in Deutschland verringerte sich ebenfalls, was teilweise auf die erhöhte Selbstnutzung von Photovoltaikstrom zurückzuführen ist.

Importe und europäischer Markt

Interessanterweise sind die Stromimporte gestiegen, was hauptsächlich auf die attraktiveren Preise für erneuerbare Energie in den Nachbarländern zurückzuführen ist. Deutschland importierte mehr Strom, besonders im Sommer, als erneuerbare Energien in den Alpen und Skandinavien besonders günstig waren.

Fazit

Ein Jahr nach dem vollständigen Atomausstieg in Deutschland zeigt sich, dass die Umstellung auf eine stärker von erneuerbaren Energien geprägte Stromversorgung erfolgreich war. Die Energiesicherheit wurde nicht beeinträchtigt, und die Strompreise sind gesunken, was die Lebenshaltungskosten für Verbraucher positiv beeinflusst hat. Dies demonstriert, dass der Übergang zu erneuerbaren Energien nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch ökonomisch tragfähig ist. Trotz anfänglicher Skepsis und Kritik hat Deutschland gezeigt, dass ein energiewirtschaftlicher Wandel möglich ist, der sowohl die Umwelt schont als auch die Wirtschaft unterstützt.
 

Teil 3: Und Frankreich?

Die Welt lacht über Deutschland, alle bauen Atomkraft aus, Frankreicht macht es richtig, Ach ja?

Die Strompreisentwicklung in Frankreich wird derzeit maßgeblich durch den starken Fokus des Landes auf die Kernenergie beeinflusst. Frankreich, das fast zwei Drittel seines Stroms aus Atomkraftwerken bezieht, steht vor erheblichen Herausforderungen. Die Schuldenlast des staatlichen Energiekonzerns EDF, bedingt durch die Unterbewertung der Produktionskosten beim Verkauf von Atomstrom, und die anstehende Aufhebung des Preisdeckels sind zentrale Faktoren, die zu einer drastischen Preissteigerung führen.

Die bisher praktizierte Preisregulierung ermöglichte es EDF, Atomstrom zu einem festgelegten Preis von 42 Euro pro Megawattstunde zu verkaufen, was deutlich unter den eigentlichen Produktionskosten lag. Diese künstlich niedrigen Preise waren nicht nachhaltig und führten zu erheblichen finanziellen Belastungen für den Konzern, was sich letztendlich in einer Schuldenlast von fast 65 Milliarden Euro widerspiegelte. Ab 2026 wird der Preis für Atomstrom auf 70 Euro pro Megawattstunde angehoben.

Neben den wirtschaftlichen Belastungen stehen technische und ökologische Herausforderungen im Raum. Die Atomkraftwerke in Frankreich sind in die Jahre gekommen, und viele benötigen teure Renovierungen, um den Sicherheitsstandards zu entsprechen. Dies führte zeitweise dazu, dass fast die Hälfte der französischen Anlagen nicht funktionstüchtig war, was Importe von Strom aus dem Ausland notwendig machte. 

Trotz dieser Herausforderungen und der wachsenden Kritik an der Kernenergie setzt die französische Regierung weiterhin auf diese Energieform. Neue Atomkraftwerke sind geplant, obwohl bereits der Bau existierender Anlagen wie in Flamanville weit über Budget und Zeitplan hinausging. 

Fazit 
Das Fazit zur Debatte um die Kernenergie, insbesondere im Kontext neuer Kraftwerke und Technologien, zeichnet ein klares Bild: Die angenommenen Vorteile der Atomenergie stehen in starkem Kontrast zu den tatsächlichen ökonomischen und technischen Herausforderungen. Die langen Bauzeiten und die enormen Kosten, die mit dem Bau neuer Atomkraftwerke verbunden sind, sowie die Notwendigkeit staatlicher Subventionen unterstreichen die finanzielle Untragbarkeit dieser Energieform. Auch die Idee kleiner modularer Reaktoren, die oft als zukunftsträchtige Lösung präsentiert wird, erweist sich bei genauer Betrachtung als unrealistisch und nicht finanzierbar.

Die wirtschaftliche Analyse zeigt deutlich, dass die externen Kosten, die mit Neubau, Betrieb und Endlagerung von Atomkraft verbunden sind, den Atomstrom zu einer der teuersten Energieformen machen. Im Vergleich dazu sind erneuerbare Energien wie Wind- und Solarenergie wesentlich kostengünstiger und effizienter. Dies legt nahe, dass die fortgesetzte Investition in Kernenergie nicht nur eine finanzielle Belastung darstellt, sondern auch eine verpasste Gelegenheit, in saubere, erneuerbare Technologien zu investieren, die eine nachhaltigere und kosteneffektivere Energieversorgung bieten könnten.

Angesichts dieser Umstände erscheint es sowohl aus ökonomischer als auch aus ökologischer Perspektive sinnvoll, das Kapitel der Kernenergie in Deutschland zu schließen und stattdessen den Ausbau erneuerbarer Energiequellen energisch voranzutreiben.

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Text: Blog-Team
Bild: KI

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